Kirchenentwicklung geht weiter ...
Kirchenentwicklung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Der Prozess „Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten gestalten“ (KiamO 2015 – 2020) hat viele Fragen aufgeworfen.
Aber es wurden auch Wachstumsfelder und Entwicklungsfelder identifiziert, deren Bearbeitung in die Zukunft weisen.
Kirchenentwicklung geht weiter …
Unsere Diözese Rottenburg-Stuttgart hat sich 4 Schwerpunkte vorgenommen, die Kirchenentwicklung bei uns prägen soll:
- Schwerpunkt 1:Der einzelne Mensch, sein Leben und sein Glauben stehen im Mittelpunkt kirchlichen Handelns.
Dieser Schwerpunkt konkretisiert sich
- in einer bedarfsgerechten Einzelseelsorge (z.B. auch durch ehrenamtliche Seelsorgeteams),
- in einer lebendigen Glaubenskommunikation, mit der über den persönlichen Glauben offen und ohne Bevormundung gesprochen werden kann,
- im gemeinschaftlichen Suchen nach Sprachbildern und im Austausch über Glaubensvorstellungen, die sowohl aktuelle religiöse Erfahrungen als auch deren Entwicklung widerspiegeln,
- in einer Digitalisierungsstrategie, u.a. für eine bedarfsgerechte Einzelseelsorge und Glaubenskommunikation - Schwerpunkt 2: Engagement-Entwicklung und eine zeitgemäße Ehrenamtskultur sind grundlegend für eine partizipative Kirche.
Dieser Schwerpunkt konkretisiert sich
- in neuen Formen des Engagements,
- in Qualifizierung,
in neuen Modellen geteilter Macht und Verantwortung, unter anderem im Hinblick auf die Gemeindeleitung (Fortschreibung des „Rottenburger Modells“),
- durch eine Theologie des Ehrenamts/Engagements (Berufung aller Getauften, Orientierung an ihren Charismen),
- in der Etablierung von Engagementförder*innen. - Schwerpunkt 3:In ihrem pastoralen und diakonischen Handeln vernetzen sich kirchliche Orte untereinander und mit gesellschaftlichen Partnern im Dienst des gesellschaftlichen Zusammenhalts in sozialen Räumen.
Dieser Schwerpunkt konkretisiert sich
- indem eine diakonisch und caritativ tätige Kirche zum Türöffner für Vernetzungen mit gesellschaftlichen Einrichtungen und Organisationen wird,
- in Partnerschaften zwischen kirchlichen Orten (u.a. Kirchengemeinden) und dem Caritasverband oder caritativen Einrichtungen,
- in der Quartierspastoral im ländlichen und städtischen Raum,
- im Engagement von kirchlichen Orten und Christ*innen in sozialen Projekten und gesellschaftlichen Diskursen im sozialen Raum. - Schwerpunkt 4:Damit Kirchenentwicklung wirksam werden kann, wird mit den drei inhaltlichen Schwerpunkten eine strategische Personal- und Organisationsentwicklung verbunden.
Dieser Schwerpunkt konkretisiert sich durch
- Entwicklung von Kompetenzen, die die Charismen der einzelnen hauptberufliche Tätigen und die Ziele der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Blick haben, mit einem Fokus auf den Bereich „Strategische und Entwicklungskompetenz“,
Förderung und Entwicklung der Teamkultur in Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen und Gremien – in Verwirklichung einer dialogischen und synodalen Kirche,
- Erprobung und Evaluation neuer Leitungsmodelle auf der Ebene der Kirchengemeinden und Seelsorgeeinheiten,
- Erarbeitung eines aktualisierten Rollenverständnisses des Pfarrers als Leiter und Seelsorger.
Die vier Schwerpunkte wollen Kirchenentwicklung an vielen Orte freigeben und unterstützend ermöglichen.
In diesen Wachstums- und Entwicklungsfeldern erhoffen sich der Diözesanrat und das Bischöfliche Ordinariat weitere mutige und kreative Erprobungen und die Fortsetzung gelungener Erfahrungen.
Wir sind eingeladen uns mit diesen Schwerpunkten zu befassen. Unter https://www.an-vielen-orten.de/schwerpunkte.html finden Sie mehr Informationen.
Im Dekanat werden wir uns in den Kirchengemeinden, in den Gremien und Konferenzen mit den Schwerpunkten der Kirchenentwicklung beschäftigen.
Auch bei der bevorstehenden Pastoralvisitation 2023 – 2025 wird die Perspektive der Kirchenentwicklung in Kirchengemeinden, Seelsorgeeinheiten, Einrichtungen und Initiativen eine wichtige Rolle spielen.
Profilstelle „Kirchenentwicklung Konkret“ im Dekanat Reutlingen-Zwiefalten:
Clemens Dietz, Dekanatsreferent
Stand: 23.06.2023
Mit brennender Un-Geduld - Post-Synodaler Aufruf des Kirchenvolks - Bericht Stuttgarter Konzillsversammlung
"Synodaler Weg" - Hoffnungszeichen
Wir lieben unseren Glauben. Das Evangelium berührt uns, es bewegt unseren Kopf und unser Herz. In der Liturgie feiern wir die Gegenwart Gottes, der die Liebe ist. Weil das wichtige Gründe sind, warum wir gerne zur katholischen Kirche gehören, schmerzt uns das schlechte Image unserer Kirche sehr. Es kann passieren, dass man von Kolleginnen und Kollegen gefragt wird: Du bist wirklich katholisch? Du bist doch sonst ein ganz vernünftiger Mensch!
Ja, unsere Kirche, meine Kirche hat wirklich Reformbedarf. Das wissen wir spätestens seit der Veröffentlichung der großen Missbrauchsstudie von Wissenschaftlern aus Mannheim, Heidelberg, Gießen (MHG) im Jahr 2018. Hier wird schwarz auf weiß dokumentiert, dass zwischen 1945 und 2014 mehr als 1600 Priester (das ist 1 von 20!) sexuellen Missbrauch begangen haben, meist an Schutzbefohlenen, die meisten von ihnen minderjährig, eine große Zahl von ihnen noch Kinder. Das ist erschütternd.
Und diese Studie belegt, dass dieser Missbrauch systemische Gründe hat: eine verbotsorientierte und angstbesetzte Sexualmoral, ein überhöhtes Verständnis der Priesterweihe, mangelnde Transparenz von Macht und Verantwortung, männerbündische Solidarität („Brüder im Nebel“).
Der „Synodale Weg“ war die Antwort der katholischen Kirche in Deutschland auf diesen Missbrauchsskandal.
Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) beschlossen, die notwendigen Reformen anzugehen. Über 200 Delegierte (unter ihnen alle deutschen Bischöfe sowie eine repräsentative Auswahl katholischer Christinnen und Christen) sollten klare und verbindliche Vorgaben erarbeiten, wie Fehlentwicklungen korrigiert und Missbrauch künftig verhindert werden kann.
Inzwischen liegen von allen vier Arbeitsgruppen (Foren) dieses Synodalen Weges aussagekräftige Papiere vor. Sie machen klare Vorschläge
- zu einer menschenfreundlichen und hilfreichen Sexualmoral
- zu Gewaltenteilung und einem transparenteren Umgang mit Macht
- zur Gleichberechtigung von Frauen auch in der katholischen Kirche
- zur Lebensform und zum Selbstverständnis der Priester.
Vom 8.-10. September 2022 sollen die Papiere vertieft beraten und dann im Frühjahr 2023 endgültig verabschiedet werden.
Als beschlossen gelten Texte nur dann, wenn sie jeweils von zwei Dritteln der Bischöfe und zwei Dritteln der anwesenden Frauen gebilligt werden.
Der Synodale Weg ist ein Hoffnungszeichen. Zum ersten Mal seit der Würzburger Synode (1971-1975) ist es gelungen, dass Bischöfe und Laien gemeinsam formulieren, wie und wohin sich die Kirche künftig entwickeln kann und soll; wie Missbrauch künftig verhindert werden soll; wie Glaubwürdigkeit zurückgewonnen werden kann.
Glaubwürdigkeit, das ist das zentrale Wort.
Glaubwürdigkeit gewinnt die Kirche nur dann zurück, wenn sie sichtbar und erfahrbar macht, dass sie sich am Evangelium orientiert.
Das Evangelium Jesu ist eine Botschaft der Freiheit, der Menschenfreundlichkeit, der Versöhnung und des Erbarmens.
Diesem Anspruch wird das geltende Kirchenrecht aus dem Geist des Ersten Vatikanischen Konzils (1871) nicht gerecht.
Wo es um Reformen geht, sind auch Machtfragen im Spiel. Deshalb hat es kritische Anmerkungen zum Synodalen Weg in Deutschland gegeben. Zum Beispiel von der polnischen Bischofskonferenz oder von 70 amerikanischen und afrikanischen Bischöfen.
Auf diese kritischen Anfragen hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, mutig und klug geantwortet. Bischof Bätzing stellt klar, dass die deutschen Katholikinnen und Katholiken keinen Sonderweg gehen wollen und dass ihnen erst recht der Gedanke einer Spaltung der Kirche fern liegt. Sie suchen vielmehr ehrlich nach Wegen, wie Missbrauch künftig verhindert werden und verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückgewonnen werden kann. Dafür müssen in Deutschland jetzt Bischöfe und Laien gemeinsam Punkte formulieren, was wir vom Evangelium her für notwendig halten.
Zentrale Punkte dieser Reformen werden nicht in Deutschland allein entschieden werden können. Aber Papst Franziskus hat einen weltweiten synodalen Prozess angestoßen, der im Herbst 2023 in einer Weltsynode seinen Abschluss finden soll. Die Beschlüsse des Synodalen Weges in Deutschland können in diese Weltsynode eingebracht werden.
Ein Hoffnungszeichen ist es, dass zentrale Punkte des Synodalen Weges in Deutschland auch in anderen Ländern Beachtung und Resonanz finden. Dazu gehören z. B. der Wunsch, das Weiheamt des Diakons für Frauen zu öffnen, die Überwindung einer verbotsorientierten Sexualmoral und ein neues und demütigeres Verständnis der Ämter des Bischofs und des Priesters.
Beten wir für das Gelingen dieser Synoden!
Bernhard Bosold, Religionslehrer i.R. / Mitglied der Initiative "Kirche Neu Denken"
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------